Phalaenopsis neu gedacht…

Phalaenopsis – dankbare Orchideen

Kaum eine andere Pflanze hat sich in den letzten Jahrzehnten so in unseren Wohnräumen etabliert wie die Schmetterlingsorchidee oder Phalaenopsis. Dabei kommt diese schöne Orchidee aus tropischen Gebieten und sollte ja dem allgemeinen Ruf der Orchideen folgend, schwer zu pflegen sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Blühwillig und oft erstaunlich günstig hüpfen diese bunten Dauerblüher schnell in den Einkaufswagen. Selbst Menschen ohne grünen Daunen wagen sich ran, weil „man ja nichts falsch machen kann“. Im schlimmsten Fall hatte man für wenig Geld zwei Monate eine tolle Tischdeko. Jeder Schnittblumenstrauß verliert diesen Wettbewerb.

So kennt man Phalaenopsis. Im Klarsichttopf.

Weil wir traditionell unsere Zimmerpflanzen in Blumentöpfen halten, werden auch Phalaenopsis in Töpfen angeboten. Aber es sind immer durchsichtige Töpfe. Warum? Viele denken vielleicht, dass man so besser die empfindlichen Wurzeln begutachten kann. Denn das wissen inzwischen die Meisten, dass die Wurzeln nicht faulen dürfen. Dieser Aspekt ist sicher nicht unwichtig, aber deshalb werden nicht die durchsichtigen Töpfe verwendet. Das hat einen anderen Grund.

Schwammwurzeln epiphytischer Orchideen (hier Vanda). Die Pfeile zeigen grüne, also feuchte Wurzelbereiche.

Viele tropische Pflanzen müssen sich im dichten Dschungel den Platz an der Sonne regelrecht erkämpfen und das hat einige Blütenpflanzen dazu gebracht, den Boden als Wurzelort zu verlassen und Bäume bzw. deren Äste als Wuchsort zu nutzen. Angefangen hat das sicher in Anhäufungen verrottenden Pflanzenmaterials in Astgabeln. Aus diesen halbterrestrischen Habitaten ermöglichten es Anpassungen dann manchen Pflanzen auch auf blanken Ästen zu wachsen. Dazu war ein Wurzelgewebe nötig, das durch viele Kammern die physikalische Kapillarwirkung ausnutzte und somit die Erde als „Mittler“ von Wasser nicht mehr benötigte. Die Kapillaren saugen das Wasser wie ein Schwamm auf. Unsere Phalaenopsis sind das Paradebeispiel für diese Entwicklung. Und die Evolution dachte sich dann, wenn die Wurzeln nun schon frei im Licht liegen, warum sollten dort nicht auch Chloroplasten mit zur Versorgung der Pflanzen beitragen? Und so war die Schwammwurzel als Haftorgan mit Blattfunktionen geboren. DAS ist der Grund für die Durchsichtigkeit der Töpfe. Dass wir diese Töpfe dann wieder in dunkle Übertöpfe stellen, ist in höchsten Maße kontraproduktiv.

„Luftwurzeln“ der Phalaenopsis – dick und grün. So sollen sie sein.

Phalaenopsis sind nicht parasitäre Aufsitzerpflanzen, sogenannte Epiphyten – Pflanzen also, die „oben auf etwas wachsen“.


Wir haben jetzt also gelernt, dass unsere Schmetterlingsorchideen eigentlich auf Ästen wachsen wollen. Mancher hat vielleicht schon erlebt, wie sich die Wurzeln der Phalaenopsis an die Topfwand der Übertöpfe kleben können. Jetzt wissen wir auch, warum diese Form der Unterbringung in Töpfen die Wurzeln so empfindlich macht – die Evolution hat sie nicht an so eine Situation angepasst. Es sind auch keine Luftwurzeln. Im Grunde sind es assimilationsfähige Haftorgane, die sich auf Oberflächen anheften. Es gibt Phalaenopsis-Arten, bei denen ist diese Assimilationsfunktion der Wurzeln verstärkt und die echten Blätter sind zurückgebildet.

Schon lange schwebte mir aus diesen Gründen ein Experiment vor. Das will ich euch heute vorstellen: Phalaenopsis so „pflanzen“, wie sie es am Naturstandort kennen.

Mit Phalaenopsis „bepflanzte“ Wurzel

Grundlage für dieses Experiment ist ein morsches, möglichst bemoostes Wurzel- oder Stammstück. Morsch sollte es sein, damit das Holz viel Feuchtigkeit speichern kann. Denn anders als in den Tropen können wir unseren Pflanzen meist nur eine sehr trockene und warme Zimmerluft bieten, was beides dazu führt, dass offenliegende Schwammwurzeln rasch an Feuchtigkeit verlieren. Auch das Moos dient als Wasserspeicher, wodurch ein Anwachsen der Wurzeln erleichtert werden soll.


Holz und Moos darf nicht einfach der Natur entnommen werden. Auf gesetzliche Bestimmungen achten!

Wichtig zu wissen ist, dass morsches Holz und auch Moos eine Menge an Lebewesen beherbergen. Da man die nicht in der Wohnung haben möchte, sollte man das Holzstück einige Tage in einer Plastikwanne trocknen lassen. Die Tiere verlassen dann die Wurzel und können wieder in die Natur gebracht werden. Auskochen kommt nicht in Frage! Das Moos muss evtl. mit Blumendraht am Holzstück befestigt werden, da es sich sonst ablöst und die Pflanzen dann keinen Halt mehr finden.

Nun befreit man die gewünschten Pflanzen durch Abklopfen von ihrem Orchideensubstrat. Es muss nicht vollständig entfernt werden! Wenn die Phalaenopsiswurzeln stark an Rindenstücken anhaften, lässt man sie dran. Alles andere führt nur zu Verletzungen, die wir nicht gebrauchen können. Wichtig: Blühende Pflanzen kommen nicht in Frage!

Die vorbereiteten, wurzelnackten Phalaenopsis richtet man nun so aus, dass möglichst alle in eine Wuchsrichtung zeigen. Prinzipiell sind nun zwei Möglichkeiten vorstellbar:

  • Man legt die Wurzel in einen Blumenkastenuntersetzer oder eine optisch ansprechendere wasserdichte und -feste längliche Schale.
  • Man befestigt einen Metallstift quer zur Wurzel, um das Arrangement in ein Fenster zu hängen. Für diese Möglichkeit habe ich mich entschieden, da alle Fensterbankplätze belegt sind.
Liegend in einer Schale fällt die Pflege natürlich leichter!

Wie man nun die Phalaenopsis am Stamm befestigt, hängt ein bisschen vom Geschick ab und von den vorhandenen Hilfsmitteln. Kabelbinder sind Bindedraht vorzuziehen, weil sie die Pflanzen nicht so einschneiden. Natürlich sollten die Kabelbinder optisch nicht zu sehr auffallen. Es gibt auch Klebstoffe mit denen z.B. im Aquarienbereich gearbeitet wird. Ob die aber eine schwere Pflanze tragen können, ist fraglich. Auch Schnüre kann man verwenden. Allerdings sind diese Befestigungen im Idealfall ja nur solange nötig, bis die Wurzeln der Orchidee die nötige Haftung selbst schaffen.

Ich hatte einen hellen freien Platz an einem Holzpfosten in meinem Haus, an den ich meinen „Epiphytenstamm“ nun befestigt habe. Zunächst werde ich dieses Gebilde täglich in der Dusche überbrausen. Nach dem merklichen Festwachsen wird man zum täglichen Besprühen übergehen können. Ich bin gespannt, wie die Phalaenopsis in ein paar Wochen aussehen werden…

Bepflanzte Wurzel frei hängend

Im Sommer kann man diesen Epiphytenstamm auch in einen Baum hängen. Dann ist es wirklich fast wie in Malaysien…

Selbstverständlich ist am Anfang etwas Disziplin und Fingerspitzengefühl gefordert, um das Anwachsen zu gewährleisten. Die Unterlage und die Wurzeln sollten nie vollständig austrocknen. Später dann reicht sicher eine Blumenspritze zur regelmäßigen Befeuchtung.

Viel Spaß beim Nachmachen!

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